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Einführung,  Übungen

Übungen: Kontaktaufnahme mit deinem inneren Kind

In meinem Artikel „Das innere Kind – worum geht es dabei eigentlich genau?“ habe ich näher ausgeführt, was hinter der Begrifflichkeit des inneren Kindes steht und wie „es“ sich auch heute noch auf unseren Alltag, Gefühle, Verhalten, Beziehungen etc. auswirken kann. Ein noch tief verletztes, nicht gesehenes Kind steht auch der Gestaltung unserer Zukunft im Weg, indem wir unbewusst von seinen alten Glaubenssätzen gelenkt und eingeschränkt werden. Wenn wir das Gefühl haben fest zu stecken, uns Veränderung nicht zutrauen, tausend Einwände in unserem Innern Regie führen, ist das innere Kind genau die Stelle, an der wir ansetzen können, um uns ein freieres Leben zu ermöglichen.

Es stimmt: Unsere Vergangenheit können wir nicht ändern, aber sehr wohl unseren Blick darauf und den Umgang mit ihr. Im Folgenden stelle ich dir unterschiedliche Methoden zur Arbeit mit dem inneren Kind vor. Fühl hinein, welcher Weg dir am meisten entspricht. Gerade wenn du dich mit dem Thema noch nicht beschäftigt hast, würde ich mit den ersten Übungen beginnen. Auch ist eine geführte Meditation zum Start sicher einfacher, als wenn du allein und in Selbstimagination auf die Reise gehst.

Die Arbeit mit dem inneren Kind – und so mit auch die folgenden Übungen – vollzieht sich über unterschiedliche, z. T. ineinandergreifende Stufen:

  • Von der Herstellung des ersten Kontakts und Schaffung von Vertrauen
  • Darüber alte Situationen und Gefühle zuzulassen, anzuschauen und erneut zu fühlen
  • Über das behutsame infrage Stellen der alten Wahrnehmung bzw. Interpretationen
  • Dem Gewahrsein darüber, wo und wie sich diese alten Überzeugungen noch auf dein heutiges Leben auswirken
  • Bis hin zum positiven Transfer in stärkende Affirmationen, der Erkenntnis der eigenen Fähigkeiten und Ressourcen sowie der Möglichkeiten im Hier und Jetzt das eigene Leben zu verändern
  • Die dadurch entstehende Heilung, Frieden finden, verzeihen, loslassen

Nun braucht es noch etwas Mut und Offenheit, denn die Arbeit mit dem inneren Kind bedeutet, zuzulassen, dass dein Herz berührt wird, du wieder berührbar wirst und oftmals komplettes Neuland betrittst. Selbstliebe und Behutsamkeit auch dir gegenüber sind für den Prozess von großer Bedeutung. Wichtig: Wenn Gefühle zu schmerzhaft werden und dich zu überschwemmen drohen, lasse dich von einer Therapeut*in begleiten.
Im Folgenden stelle ich dir vier unterschiedliche Übungen für die Arbeit mit deinem inneren Kind für eine erste Annäherung vor. Lies sie dir durch und fühl in dich hinein: Mit welcher möchtest du starten?

Die ersten Schritte

Behutsamkeit ist auch hier ein gutes Stichwort: Um den Kanal zwischen dir und deinem inneren Kind wieder oder zum ersten Mal zu öffnen, heißt es vorsichtig, liebevoll und Schritt für Schritt vorgehen. Das innere Kind ist es oftmals gar nicht gewohnt, „gesehen zu werden“, kann misstrauisch sein und so anfangs Abstand halten. Es sehnt sich nach bedingungsloser Liebe, angenommen und gehalten werden. Also widme dich in den folgenden Übungen deiner Kleinen ganz und gar, nimm ohne Bewertung war, wie es ihr geht – auch wenn dir ggfs. Gefühle der Wut, Angst, Scham zusetzen. Falls du dich plötzlich zu bedrängst fühlst, erinnere dich: Es sind die Gefühle der Kleinen, aus vergangenen Tagen. Die alten Geschehnisse können dir nun nichts mehr anhaben. Wird die Erfahrung zu schmerzhaft, setze jederzeit einen Stop und verlasse die Übung: Öffne die Augen, schau wo du dich gerade wirklich befindest, atme ruhig, fühl in deinen Körper.

Übungen zur Annäherung an dein inneres Kind

I. Fotos aus der Kindheit

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Diese Übung hilft dir erste Erinnerungen wieder aufkommen zu lassen. Nimm dir Zeit und Raum für dich und mach es dir an einem deiner Lieblingsorte gemütlich. Schau dir nun Fotos deiner Kindheit an, von Babytagen bis über Folgejahre, wenn möglich. Lass sie auf dich wirken. Wo bist du auf den Bildern? Wer ist bei dir? Erinnerst du dich, wie es dir in der jeweiligen Situation ging? Welche Gefühle kommen in dir auf bzw. welche der Kleinen fühlst du (Bemerkung zu „Wie unterscheide ich meine Gefühle von denen der Kleinen?“: Wenn du dich urplötzlich sehr traurig fühlst, Angst aufkommt oder auch überschäumende Freude – wahrscheinlich Gefühle, die gerade nicht zu deiner „ich sitze entspannt im Sessel o. ä.“ Realität passen –  dann u.a. weißt du: Es sind die Gefühle der Kleinen.). Gibt es Bilder, die ein angenehmes, andere die ein unangenehmes Gefühl in dir aufkommen lassen? Wenn du magst, schreib dir deine Eindrücke, Gefühle, erste Impulse für später auf. Such dir am Ende ein Foto aus, bei dem große Freude in dir aufkommt oder ein Gefühl des beschützt und gehalten Werdens. Greif intuitiv zu dem, welches dir am besten gefällt. Stell es an einen Platz, an dem du es oft siehst und betrachte es in der nächsten Zeit immer wieder, lass die Gefühle in dir wirken und wachsen.

II. Geführte Meditationen / Imaginationen

Die Arbeit mit Imaginationen oder geführten Fantasiereisen ist ein sehr wirkungsvoller Weg, da unsere Psyche nicht nur auf reale Situationen, sondern auch auf Imaginationen reagiert. Die gedanklichen Reisen zum und mit dem inneren Kind starten meistens an einem Ort, an dem sich dein inneres Kind besonders wohl und sicher fühlt – ein realer oder imaginärer. Bedenke, zum einen hast du den Kontakt zu deinem inneren Wesensteil wahrscheinlich längere Zeit vernachlässigt, zum anderen aus einem bestimmten Grund: um schmerzhafte Erinnerungen und Gefühle nicht mehr wahrnehmen zu müssen. Um sich dir und diesen verdrängten Situationen erneut zu öffnen, braucht dein inneres Kind ein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit: den „sicheren Ort“.

Ich persönlich finde es eher schwierig, eine Fantasiereise anhand einer aufgeschriebenen Übung zu praktizieren. Ich soll mich fallen lassen und dieser Begegnung hingeben, Kontrolle loslassen und Gefühle aufkommen lassen. Gleichzeitig unterbreche ich die Erfahrung immer wieder, indem ich auf den Zettel mit Text und Anweisungen schiele. Geht es dir auch so? Unter den folgenden Links habe ich dir zwei unterschiedliche Fantasiereisen mit deinem inneren Kind als Podcast vertont. Wenn du lieber „allein reisen“ magst, findest du im Internet viele Texte zu ähnlichen Reisen. Auch auf YouTube gibt es weitere Beispiele.

Geführte Imaginationen zu deinem inneren Kind – als Podcast für dich

  • Imagination „Kontakt aufnehmen mit deinem inneren Kind“: In dieser Fantasiereise geht es um die erste Begegnung mit deinem inneren Kind, erspüre, wie es ihm geht, nimm jedes Gefühl, jedes Verhalten dir gegenüber liebevoll und vorurteilslos an, Vertrauen baut sich auf: „Ich bin ab jetzt für dich da!“. Heilung beginnt. Verlinkung zur geführten Reise folgt bis Ende Juni 2021.
  • Imagination „Alte Themen und Gefühle vertieft betrachten“: Auf dieser Reise gehst du in Kontakt mit schmerzhaften Gefühlen und Situationen deines inneren Kindes, ihr betrachtet sie gemeinsam, fühlt hinein, lasst neue, positive Interpretationen durch deinen heutigen, erwachsenen Blickwinkel zu. Heilung schreitet weiter voran. Der Podcast zur dieser geführten Meditation folgt im Juli 2021 – melde dich gerne zum Newsletter an und du wirst zu allen neuen Artikeln und Podcasts stets zeitnah informiert.

III. Deine neue Brieffreundschaft: Schreib dir mit deinem inneren Kind

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Wenn du gerne schreibst, vielleicht sogar schon Erfahrung mit imaginativem Schreiben gesammelt hast, dann wird dir diese Übung besonders liegen. Sie stellt eine weitere Möglichkeit der behutsamen Kontaktaufnahme, des Beziehungsaufbaus und in Kontakt Bleibens mit deinem inneren Kind dar. Nimm dir Stift und Papier – ja, richtig gelesen: Bitte schreibe mit der Hand. So bist du unmittelbarer mit dir verbunden und im Fluss. Suche dir einen ruhigen Ort, komm zu dir. Nimm dann Kontakt mit deinem inneren Kind auf, stimme dich auf es ein. Vielleicht schaust du dir noch einmal ein altes Foto von ihm an.

  • Dann schreibe einen ersten Brief an dein inneres Kind. Sag wer du bist und dass du nun für es da sein willst, wie glücklich du bist, es wieder gefunden zu haben. Schreib wie sehr du es vermisst hast, wie viel Farbe deinem Leben ohne es gefehlt hat, was du wundervoll an ihm findest, wie kostbar und einzigartig es ist. Schreibe alles, was dir selber intuitiv „in die Feder fließt“. Bleib dabei in deinem Gefühl, hinterfrage nicht, was du aufs Papier bringst.
  • Bitte dann dein Kind etwas von sich zu erzählen. Wie, das innere Kind erzählt mir was? Wie soll das gehen? Es funktioniert, versuch es! Fühl in es hinein, vielleicht in eine bestimmte Situation, die dir einfällt und frage es dann. Lass den Kopf los und zu, was in dir aufkommt. Beispielfragen: Wie geht es ihm, was liebt es, macht es glücklich oder traurig? Braucht es gerade etwas Besonderes? Wonach sehnt es sich? Was sind seine Lieblingsorte und vor allen Dingen: Was wollte es dir schon immer einmal sagen?
  • Du kannst auf diesen Brief erneut schreibend reagieren, auf Aussagen und Fragen eingehen und selber neue stellen.
  • Wenn dieser Weg ein guter Kanal für euch ist, kann daraus eine „Brieffreundschaft“ entstehen. Immer wenn du nun bemerkst, dass in dir alte Themen, Ängste, Scham, Wut, plötzliche Stimmungsschwankungen ausbrechen, nimm dir Zeit und frag dein inneres Kind, wie es sich gerade fühlt? Fehlt ihm etwas? Was macht es traurig, wütend, verzweifelt? Wo befindet es sich gerade, in welcher früheren Situation, mit wem, was ist ihm passiert? Durch diese wiederholte Betrachtung lernst du Schritt für Schritt die Gefühle der Kleinen von denen der Großen zu unterscheiden. So kommst du zurück in dein Hier und Jetzt, in die reale Sicherheit und kannst als beschützende, starke Große dein Kind „in den Arm nehmen“, halten, trösten – und somit auch dich stabilisieren.

Wenn du Lust hast, schaff dir ein besonders schönes Notizbuch oder Heft für eure ganz besondere Herzens-Korrespondenz an. Da macht schon das Aufschlagen Freude und ihr schreibt an einem gemeinsamen, ganz besonderen Buch. Ihr könnt euch auch genseitig kleine Zeichnungen hinterlassen, Fotos einkleben etc. und so gegenseitig überraschen.

IV. Und noch mehr Kreativität: „Entwerfe“ ein ganz neues zu Hause für deine Kleine

Unsere Kleinen sind noch ganz intuitiv und so kreativ. Ein guter Kanal also, um gemeinsam etwas zu erleben und teilen:

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  • Besorg dir einen großen Karton, ein dickeres Blatt Papier o. ä., bunte Stifte, Zeitschriften, Fotos, eine Schere, Klebstoff etc.
  • Nun frag dein inneres Kind: Wo es am liebsten ist, sich glücklich und sicher fühlt, was es am liebsten den ganzen Tag macht, Lieblingsmenschen, Lieblingsessen? Was mag, liebt es sonst noch? Was hat ihm gefehlt? Und und und was möchte es ALLES in seinem Leben haben.
  • In die Mitte der Pappe klebst oder am besten malst du deine Kleine (du musst kein Picasso sein, lass einfach los und hab Spaß mit deiner Kleinen!). Drum herum klebst und malst du all das, was die Kleine sich für ihr Leben erträumt. Sprich mit ihr ab, was an welche Stelle soll, noch fehlt, welche Farben du benutzen sollst – ihr seid verbunden und zusammen am Werk.
  • Wenn die Kleine so richtig glücklich mit ihrer neuen Umwelt ist, suche dir einen schönen Ort für die Collage, an dem du öfter vorbei kommst. Schau sie dir immer wieder an und fühl hinein, wie glücklich und sicher sich dein inneres Kind heutzutage fühlt, wie gut es ihm geht.

Ich bin sehr gespannt, welche Erfahrungen du mit den unterschiedlichen Übungen machst und freue mich über Kommentare weiter unten. In einem weiteren Artikel, gehe ich noch tiefer auf den Umgang mit deiner Kleinen im Alltag ein.

Parallel zur Arbeit mit dem inneren Kind sind Themen wie „Arbeit mit Glaubenssätzen“, „Ressourcenarbeit“, „Resilienz-/Übungen“ (bald hier im Blog mehr zum Thema „Resilienz“) eine große Unterstützung. So löst du Stück für Stück die alten Überzeugungen der Kleinen auf und bringst sie dadurch (mehr) zur Ruhe. Zugleich stärkst du dein erwachsenes Ich im Hier und Jetzt. Das befähigt dich, dein Leben in die eigene Hand zu nehmen und so zu führen, wie du es dir schon lange erträumt hast.

Viel Spaß dabei! 😊

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