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Einführung,  Inspired!

Ayurveda oder die „Wissenschaft vom Leben“

Ein über 5.000 Jahre alte, ganzheitliche Gesundheits- und Lebenskonzept

In diesem Artikel gebe ich euch eine MINI-Einführung in Grundzusammenhänge und -begriffe des Ayurveda. Da das Thema sehr komplex ist, überlasse ich tiefer gehende Ausführungen Fachleuten und den von ihnen publizierten Büchern – siehe dazu meine Literaturempfehlungen unter dem Text. Der Artikel soll euch eine Grundlage bieten. In zwei weiteren Artikeln behandle ich im Anschluss Themen, die mir im Zusammenhang mit Ayurveda besonders am Herzen liegen:

Im abschließenden vierten Artikel stelle ich euch die zwei Ayurveda Ressorts vor, die ich dieses Jahr in Sri Lanka kennen gelernt habe. Sie sind ein sehr gutes Beispiel dafür, wie unterschiedlich die Locations und Angebote vor Ort sind. (Hinweis: keine Werbung, redaktionelle Vorstellung).

Was ist Ayurveda?

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Ayurveda ist die „Wissenschaft vom Leben“ – von Ayur = Leben und Veda = Wissen. Es handelt sich dabei um das älteste, uns bekannte Gesundheitskonzept. Entsprungen ist es der vedischen Hochkultur Altindiens und es ist viele Jahrtausende alt – ungefähr 5.000 Jahre! Im Gegensatz zum Umgang unserer klassischen, westlichen Medizin handelt es sich beim Ayurveda um eine Art Lebenskonzept. Ayurveda wird nicht erst dann praktiziert, wenn wir krank sind und geheilt werden möchten. Es geht vielmehr darum, im Alltag so zu leben, uns zu ernähren, zu verhalten, Routinen zu entwickeln, dass wir erst gar nicht krank werden, ja bis ins hohe Alter ein Leben voller Vitalität, Lebensfreude und Gesundheit führen können. Im Ayurveda werden Körper, Geist und Seele gleichberechtig berücksichtigt und sollen in Balance gehalten bzw. gebracht werden. Krankheiten zu heilen ist nur ein Aspekt des Systems.

Tridoshas: Pitta, Vata und Kapha

Vielleicht sind euch diese Begriffe auch schon untergekommen? Worum geht es dabei? Im Ayurveda geht man von drei sogn. Doshas = Energieformen aus. Man könnte auch sagen von drei Bioenergien. Dabei handelt es sich um Pitta, Vata und Kapha. Diese beeinflussen unsere innere und äußere Um-/Welt. Jedes Dosha und seine Zusammenhänge sind sehr komplex. Anbei nur grobe Zusammenhänge:

Vata

  • Vata setzt sich aus den Elementen Luft und Raum/Äther zusammen
  • Es ist das Prinzip der Veränderung und Leichtigkeit, steht für Bewegung, Lebendigkeit in Körper und Geist sowie Wachheit, ist sehr kommunikativ
  • Attribute, die ihm u.a. zugeschrieben werden: Schlank, dünn, zart, längliches Gesicht, kleine Augen, schmale Lippen, geringes Gewicht, leichter Körperbau, neigt zu trockener Haut, friert leicht (besonders an Händen und Füßen), begeisterungsfähig, geistig sehr wendig, sensitiv, kreativ, spricht schnell, wechselt oft das Thema, geht Dinge schnell an, geht sie aber nicht zu Ende, unregelmäßiges Hungergefühl und Verdauung

Pitta

  • Pitta setzt sich aus den Elementen Feuer und Wasser zusammen
  • Es ist das Energieprinzip von Geist und Körper, steht für Emotionen, biochemische Aktivitäten/den Stoffwechsel, Verbrennungsvorgänge und unseren Wärmehaushalt
  • Attribute, die ihm u.a. zugeschrieben werden: mittelschwerer Körperbau, geht Dinge mit mittlerer Geschwindigkeit an, systematisch und organisiert, zielgerichtet, zur Perfektion neigend, dynamisch, scharfsinnig/präzise denkend, leicht erregbar/emotional, starker Hunger und gute Verdauung, kann Malzeiten schlecht ausfallen lassen, guter Redner, unternehmungslustiger und mutiger Charakter, Abneigung gegen Hitze

Kapha

  • Kapha setzt sich aus den Elementen Wasser und Erde zusammen
  • Steht für die Struktur unseres Körpers, den Körperbau und materielle Bausteine, aus denen unser Körper gebaut ist. Im Geist bringt es Ruhe und Stabilität.
  • Attribute, die ihm u.a. zugeschrieben werden: stabiler, eher schwerer Körperbau mit Neigung zu Übergewicht, kraftvoll und ausdauernd, ruhig und beständig, tiefer und langer Schlaf, kräftiges und dunkles Haar, schwer aus der Ruhe zu bringen, robust, praktisches Denken, Mitgefühl
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In jedem von uns stecken diese Energien in unterschiedlicher Intensität bzw. Proportionen. Geboren werden wir mit einer Grundkonstitution, d.h. als Vatta, Pitta oder Kapha „dominiert“ oder als Mischtypus. Dieser Zustand ist unser „Prakruti“ = natürlicher oder Ursprungs-Zustand. Durch unseren oft ungesunden Lebensstil und Einflüsse von außen gerät diese, unsere ureigene Grundkonstitution, ins Ungleichgewicht. Diesen Zustand nennt man „Vikruti“ und beschreibt damit unseren momentanen Zustand – der sich je nach Lebenssituation verändert. Ayurveda ist bemüht darum, Prakruti und Vikruti so gut wie möglich in Übereinstimmung zu bringen, denn je mehr sie sich voneinander unterscheiden, desto häufiger und schwerwiegender zeigen sich persönliche Krankheitserscheinungen und mentale Überlastung. Aber nicht nur wir werden bedingt durch diese Energien, sondern auch die Phasen eines jeden Tages, des Jahres, unsere Lebensabschnitte sowie unsere Nahrung. Weiterführende Informationen findest du wie gesagt in der Fachliteratur. Wie in einer Kur dein Grundtypus ermittelt wird, beschreibe ich weiter unten im Abschnitt, in dem ich meine Kurerfahrungen ausführe. Für einen eigenen Schnelltest bietet z.B. das Rosenberger Ayurveda Gesundsheits- & Kurzentrum einen Onlinetest an: https://www.rosenberg-ayurveda.de/wissen/ayurveda-test-vata-pitta-kapha.html

Ich gebe zu, dass diese Art der Betrachtung für unser westliches Denken oftmals nur schwer nachvollziehbar ist. Auch für mich ist es eine sehr spezielle Mischung aus abstrakten Zusammenhängen und sehr konkreten Charakteristika. Anfassbarer wird das Ganze in der Praxis: Ich bin immer wieder erstaunt, was die Ärzt*innen nach Fühlen meines Pulses, Haut und Haaren, Betrachtung der Zunge o.ä. im Anschluss alles über mich, meinen Charakter, Vorlieben, Abneigungen, Herausforderungen, denen ich immer wieder begegnet etc. aussagen. Es ist wirklich faszinierend und hat zumindest mir geholfen, mich in mancherlei Hinsicht besser zu verstehen. Warum z.B. habe ich in vielen Situationen immer wieder das Gefühl, mich bei Verhaltenstendenzen in zwei Richtungen zu zer-/reißen? Ich erkläre mir das mittlerweile mit meiner Pitta-Vata-Dominanz, einer Mischung, bei der es ganz schön ab geht, die als Team aber ziemlich stark ist – z.B. darin, sehr kreativ und wendig im Kopf zu sein und zugleich die Power zu haben, Dinge auf den Boden zu bringen.

Verdauung

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Nicht nur Hippokrates wusste zu berichten, dass alle Krankheiten im Darm beginnen. Auch in unseren Breitengraden ist man sich seiner Bedeutung in den letzten Jahren mehr denn je bewusst – ihr erinnert euch z. B. an die sehr breit aufgenommene Veröffentlichung von „Darm mit Charme: Alles über ein unterschätztes Organ“ von Giulia Enders. An sich ein Thema, das man nicht automatisch der Spiegel Bestsellerliste zugerechnet hätte oder? In keinem anderen Gesundheitssystem wie dem Ayurveda wird der Verbindung zwischen Verdauung und Gesundheit, Darm und Gehirn eine solche Bedeutung eingeräumt – entsprechend sind Verdauung und Ernährung hier sehr wichtige Bausteine. Übrigens geht es bei der Verdauung nicht nur um die körperliche, sondern auch um die Verarbeitung mental aufgenommener Informationen und Einflüsse. Wichtig ist es nach dem Ayurveda, dass Nahrung so vollständig wie möglich aufgenommen, die Nährstoffe optimal verwertet und der nicht benötigte Rest ausgeschieden wird. Bei gesundem Stoffwechsel können sich die Zellen genügend regenerieren, unser Körper wird mit Energie versorgt und entgiftet durch das Ausscheiden. Die zentrale Rolle für diese Prozesse übernimmt das so genannte „Agni“ = Verdauungsfeuer. Ist es geschwächt – wofür es mannigfaltige Gründe gibt – kann unsere Nahrung nicht vollständig verdaut werden. Es lagern sich Rückstände in unserem Körper an. Diese werden „Ama“ (= unverdaut, unreif) genannt und sie behindern den wichtigen Dialog zwischen Gehirn- und Darminformationen. Neben den Ernährungsempfehlungen, die für jedes Dosha individuell sind, behandelt Ayurveda schwaches oder gestörtes Agni und bringt es zurück in Balance.

Aufgrund ihrer Wichtigkeit, ist die Verdauung Teil eines jeden Arztgesprächs – was uns Westlern zumindest anfangs etwas speziell vorkommen kann. Um auf den Punkt zu kommen: Du wirst sehr konkret und detailliert dazu interviewt. Da gibt es z.B. Fragen wie „Is your defacation floating or sinking?“ – ähm, was bitte? Meinen Gesichtsausdruck in dieser Szene hätte ich sehr gerne gesehen. Nachdem ich begriffen habe, worum es überhaupt geht, konnte ich leider nur antworten, dass ich mir das nie genau anschaue! Hab ich ab dann: Die nächste Konsultation steht ja in ein paar Tagen an 😉 Unter den Gästen meines Aufenthalts in Sri Lanka (mehr zu den zwei Ressorts findest du hier) entwickelte sich entsprechend schnell ein running Gag „And, how is it today – sinking or floating?“. Überhaupt gewöhnt man sich irgendwann so sehr an seine Behandlungen und lebt mit den anderen Kurenden in einem ganz speziellen Biotop. Man unterhält sich plötzlich über „körperlich sehr private Abläufe“ und den eigenen Kurverlauf, wie man es zu Hause sogar mit Freunden eher nicht tun würde. Sehr interessant und wenn’s einem dann doch mal wieder auffällt: extrem witzig!

Panchakarmakur – was ist das?

Der Begriff „Panchakarma“ stammt aus dem Sanskrit und bedeutet „fünf Handlungen/fünf Aktionen“, was sich auf die fünf möglichen Reinigungsbehandlungen während der Kur bezieht. Die Panchakarmakur ist, so würde ich es ausdrücken, eine der wirkungsvollsten Kuren im Ayurveda. Sie ist eine Reinigungskur, die unter Anwendung unterschiedlicher Behandlungen im Körper eingelagerte Gifte, Stoffwechselrückstände, unverdaute Nahrung und Umweltgift ausleitet. Nicht nur der Körper wird auf diese Art gereinigt, auch mental werden entsprechende Prozesse in Gang gesetzt.

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Die Kur folgt festen Abläufen und wird zusätzlich auf jeden Patienten individuell abgestimmt. Sie beginnt mit einer Konsultation bei einer Ayurveda Ärztin bzw. einem Arzt. Diagnostiziert wird u. a. über Pulsdiagnose, Zungenbetrachtung, Haut- und Haarbeschaffenheit, Knochenbau, Augenfarbe, Muskelturnus und weitere körperlicher Merkmale. Zudem bespricht man die persönliche Lebensweise und -situation, Verdauung, körperliche sowie mentale Beschwerden. Auf diesem Weg werden dein Prakruti und Vikruti ermittelt und individuell Behandlungen und Medikamente für dich festgelegt. Im Abstand einiger Tage trifft man seine Ärztin/seinen Arzt wieder, bestimmt den Kur Status quo und ob die Behandlungen anschlagen. Die Therapie wird entsprechend angepasst oder weitergeführt.
Die Kur an sich besteht aus drei Phasen:

1. Vorbehandlung = Poorva Karma

Giftstoffe und überschüssige Doshas (=Energien) werden durch Ölmassagen, Schwitzbehandlungen und eine spezielle Ernährung im Körper gelöst.

2. Hauptbehandlung zur Reinigung und Aufbau = Pradhan Karma

In dieser Phase werden durch Einsatz meistens nur eines Teils der fünf Reinigungsverfahren die Gifte aus dem Körper abgeführt. Diese fünf Behandlungen sind

  • Vamana = therapeutisches Erbrechen
  • Virechana = therapeutisches Abführen
  • Niruha Basti = reinigender Darmeinlauf mit Heilkräutern auf Wasserbasis
  • Anuvasana Basti = Darmeinlauf mit Kräuterölen
  • Nasya= Ausleitung über die Nase

3. Nachbehandlung = Paschat Karma

Im Anschluss an die für Körper und Geist anstrengende Abführphase findet der sanfte Aufbau mit erneut individuell zusammengestellten Behandlungen, Medizin, Ernährungs- und Lebensstilempfehlungen statt. Diese Phase zieht sich – im besten Fall und sicher abhängig von der persönlichen Motivation – bis in den Alltag zu Hause. Denn nur wenn wir auch im Anschluss ein paar Weichen in der eigenen Lebensführung stellen, bleibt die Kurerholung erhalten und wir somit längerfristig vital und lebensfreudiger. Es gibt Ressorts, die ihren Patienten für eine Fortführung Medikamente z.B. für den Zeitraum eines Monats mitgeben.

Und Ayurveda behandelt noch viel mehr

Neben der eher auf das Allgemeinwohl (ich nenne das nun einfach einmal so) ausgelegten Panchakarmakur werden im Ayurveda auch ganz konkrete individuelle Krankheitsbilder und Problemstellungen behandelt – im Rahmen der Panchakarmatherapie oder als besondere Kur. Behandelte Bereiche sind. U. a. Migräne, Schlafstörungen, Lähmungen, Hüftschmerzen, Nasennebenhöhlenerkrankungen, Burnout, Arthritis, Rheuma , Hautkrankheiten, Krampfadern, Tumore, Gelenkprobleme bis hin zu Unfruchtbarkeit.

Weitere Artikel zum Thema

In drei weiteren Artikeln bin ich tiefer auf folgende Themen eingegangen

  • Ayurveda Kur in Asien: Good to know vor Buchung & Abreise!
  • Ansätze zur Integration von Ayurveda in unseren westlichen Alltag (dieser Artikel folgt im Juli)
  • Barberyn Beach Resort und Ayurvie Weligama Retreat – Kurzvorstellung der von mir besuchten Anlagen in Sri Lanka (keine Werbung, rein redaktionelle Vorstellung).

Literatur zum Thema (als kleiner Ausschnitt)

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