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Unsere FehlerUNkultur oder warum der Mut Fehler zu machen so wichtig ist!

Meine Lieben,

Unsere FehlerUNkultur, da fragt sich die oder der ein oder andere unter euch vielleicht: Was will sie jetzt schon wieder von mir? Ein Großteil von euch, da bin ich mir absolut sicher, ist dem Thema allerdings schon des Öfteren begegnet.

©Photo by Elisa Ventur on Unsplash

Mir ist es ein großes Herzanliegen und so mache ich es endlich einmal zum Hauptthema und das gleich von zwei Podcast Episoden! Was genau meine ich mit „unsere FehlerUNkultur“? Und warum denke ich sogar, dass es wichtig ist Fehler zu machen? Es geht mir um die Tatsache, dass unsere Gesellschaft, viele Arbeitgeber, oft die Familie uns weißmachen wollen, dass wir keine Fehler machen dürfen – uihhh, die sind soooo gefährlich!!! Ich aber stelle das infrage und sage hier einfach einmal selbstbewusster als ich es sonst bin: Damit habe ich Recht 😉

Warum bitte dürfen wir keine Fehler begehen? Ist das wirklich so? Und vor allen Dingen: Ist das überhaupt möglich?

Warum ich denke, dass wir dürfen, ja so sogar müssen, warum wir solche Angst davor haben und wie wir mit dieser umgehen können, genau darum wird es in dieser und der nächsten Podcast Episode gehen. Bevor wir uns einmal wieder kopfüber ins Thema stürzen noch eins: Natürlich gibt es Fehler, ich nenne sie hier der Einfachheit halber einfach so, die wir nicht begehen wollen. Ihr Preis kann sehr hoch und ihre Auswirkungen können schwerwiegend sein. Mutwillig Fehler begehen sollten wir uns ob der Konsequenzen auch vorher genau durch den Kopf gehen lassen. Heißt: Ich will Fehler, Pannen, Rückschläge hier nicht beschönigen. Aber da wir sie in unserer Gesellschaft so schnell zur Vermeidungs-Handlungsmaxime machen, möchte ich sie in diesem Podcast einmal in Frage stellen! Los geht’s!

Worum geht es in dieser Episode, dem ersten Teil zum Thema – inkl. Timings

  • Intro 00:00
  • Fehlerkultur: Pleiten, Pech & Pannen sind wichtig! 3:16
  • Was ist eigentlich ein „Fehler“? 5:18
  • Erfolge durch Fehler: ein berühmtes Beispiel 10:40
  • Und noch ein Beispiel – aus meinem Leben 13:41
  • Was macht die Angst vor Fehlern mit uns? 18:30
    • Energy goes where attention flows 20:03
    • Von verpassten Chancen 21:53
    • Bestrafung 23:27
  • Was macht die Angst vor Fehlern mit Unternehmen? 24:25
    • Deutschland und die Angst vor Fehlern 26:00
  • Das Outro: Kintsugi oder von der Wertschätzung unserer Brüche 28:21

Nun habt ihr wie immer die Qual der Wahl: Möchtet ihr den neuen Beitrag lieber lesen oder in Form des Podcasts anhören?
Lesen: Dann geht’s hier direkt weiter.
Anhören? Am Ende dieses Blogartikels findet ihr den Direktlink zum Podcast.
Viel Spaß dabei!! ❤️

Fehlerkultur: Pleiten, Pech & Pannen sind wichtig!

©Photo by Raúl Nájera on Unsplash

Wir leben in einer Welt, die Fehler größtenteils als enorm negativ einstuft und immer wieder vorgibt, dass sie vermeidbar wären. Aber so ist es nicht! Wer sich auf den Weg macht, aktiv ist, dem misslingt auch einmal etwas oder es kommt einfach etwas anderes dabei heraus als erwartet. Wenn wir Neues ausprobieren, können wir nicht genau wissen, wo es hinführen wird – das hat der Aufbruch auf unbekannten Wegen nun einmal so an sich. Und was ist so schlimm daran? Oftmals ist beim Start unser Horizont noch so begrenzt, dass wir uns künstlich kleinhalten würden, fixierten wir uns weiterhin komplett auf das Ziel mit dem vor Augen wir aufgebrochen sind. Ich wage zu behaupten, dass auch vieles davon, das wir zuerst als sogenannten Fehlern wahrgenommen haben, uns doch zu etwas Gutem geführt hat, auf das wir sonst nie gestoßen wären. Was also sind überhaupt Fehler und wer darf entscheiden was Erfolge, was Misserfolge sind? Auch nicht außer Acht zu lassen: Wir entwickeln uns ständig weiter. Was gestern gepasst hat, kann heute schon nicht mehr das Richtige für uns sein. Das gilt übrigens auch für eine Gesellschaft und Unternehmen. Und deswegen ist es so unfassbar wichtig uns Raum zum Experimentieren zu geben, aus dem zu lernen, was sich noch nicht richtig anfühlt oder schiefgelaufen ist. Lacht ab und an auch einmal über euch und vor allen Dingen: Bleibt vor lauter Angst vor diesen sogenannten Fehlern nicht in der Erstarrung. Zieht los!!!

Was ist eigentlich ein „Fehler“?

Kommen wir folgerichtig doch gleich mal zu des Pudels Kern – wie meine Großmutter immer so schön gesagt hat: Was bitte ist überhaupt ein Fehler?

Definitionsversuch Nr. 1

Wikipedia sagt dazu: „Ein Fehler ist die Abweichung eines Zustands, Vorgangs oder Ergebnisses von einem Standard, den Regeln oder einem Ziel.“ Mir fallen im Zusammenhang mit Change, aber auch sonst, gleich zwei Begriffe ins Auge, die da lauten „Standard“ und erneut „Ziele“. Begeben wir uns nicht oftmals gerade deswegen auf den Weg der Veränderung, um unserem bisherigen Status quo und all den Standards unseres Alltags zu entkommen? Und: In Momenten wie diesen haben wir wie erwähnt maximal ein vages oder Zwischenziel vor Augen. Was uns um die nächste Ecke erwartet wissen wir oftmals schlichtweg nicht. Vor allen Dingen verändern wir uns von Schritt zu Schritt selber, trauen uns mehr zu – auch mehr zu wollen zu. Plötzlich sehen die Koordinaten ganz anders aus – und wird es ein Fehler sein, dann diese neuen ins Navi einzugeben?

Definitionsversuch Nr. 2

©Photo by Jack Woodward on Unsplash

Schauen wir, was uns die kluge Datenbank zum Thema noch zu sagen hat: „Ein Fehler liegt vor, wenn durch den Verstoß gegen Rechenregeln, die Verwendung von falschen Gleichungen oder eine falsche mathematische Schlussfolgerung ein unbrauchbares Ergebnis entsteht.“ Nun ist uns allen aber doch auch klar, dass das Leben keine einfache, mathematische Gleichung ist. Vielmehr entspricht es der höheren Mathematik, für die wir vielleicht bis an unser Ende kein glasklares Ergebnis präsentieren können. Leben erscheint hier wie der lange, lange Lösungsweg einer schier unlösbaren Gleichung – zumindest mir immer einmal wieder. 😉 Ab und an denken wir einen riesigen Schritt weiter zu sein, quasi am Endpunkt der Rechenlösung. Aber irgendwie geht die Gleichung dann doch nicht ganz auf. Verzagt schauen wir uns nach weiteren Möglichkeiten und Zwischensteps um. Und es ist gut so, mutig in Bewegung zu bleiben und offen den Weg dahingehend zu optimieren, wohin es uns mit den neusten Informationen zieht.

Definitionsversuch Nr. 3

Mit Wiki kommen wir hier also nicht so ganz weiter? Vielleicht passt das mit dem Fehler im Leben nicht machen dürfen einfach nicht? Da ziehe ich doch gerne ein für mich passenderes Zitat von Prof. Dr. Gerd Gigerenzer zu Rat – seines Zeichens immerhin u.a. Direktor am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und des Harding-Zentrums für Risikokompetenz in Berlin. Der stellt heraus:

„Ein Fehler ist positive Information, die man verwendet, um das ganze Unternehmen besser zu machen“

Grundlegend phänomenal finde ich hier ja direkt seine Einstufung eines Fehlers als „positive Information“ – lasst euch das gerne einmal auf der Zunge zergehen. Und wer jetzt sagt: Er spricht hier doch von „Unternehmen“, der mag kurz in sein eigenes Leben bis zum heutigen Punkt hineinfühlen und wird gleich bemerken: Das kommt zumindest einer riesigen und vielschichtigen Unternehmung sehr nah. In die Shownotes lege ich euch eines meiner Lieblingsbücher von Gigerenzer, das euren Changeprozess sicher mit unterstützen kann: „Bauchentscheidungen: Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition“.

©Photo by OPPO Find X5 Pro on Unsplash


Weiterentwicklung, Fortschritt, Wandel vollzieht sich in vielen Situationen über den Weg des Fehler Machens – oder sagen wir doch gleich direkt: Des etwas Machens und dabei kommt etwas anderes heraus als erwartet. Das ist der Lauf des Lebens – ich wage zu behaupten von Anbeginn unserer Zeiten – auf jeden Fall unser aller, kleiner Leben von Kindesbeinen an: Wie lernen wir zu laufen?: Über das Stolpern, das ein oder andere blutige Knie und final das filigrane immer wieder Ausbalancieren unserer selbst. In der Kindheit haben wir nur das Glück, unbeschwerter mit vermeintlichen Fehlern umzugehen – wenn wir ein Elternhaus hatten, das diese Art des Umgangs zuließ, ja befürwortete.

Vielleicht wird schon an dieser Stelle klar, dass unser Umgang mit Fehlern und Blick darauf, der Schlüssel zum Loslassen einer riesigen Portion Ballast und ein Befreiungsschlag gen Mut zum Neues Experimentieren sein kann!

Erfolge durch Fehler: ein berühmtes Beispiel

©Photo by Sharon Pittaway on Unsplash

Ja, ja, ich weiß: Kopflastige Menschen, wie ich es zumindest z. T. auch bin, brauchen für Aussagen wie die von vorhin immer auch Beweise. La voilá – ich denke viele unter euch wussten das noch nicht: Am 28. September 1928 entdeckte Alexander Fleming im St. Mary’s Hospital in London das Penicillin. Und das gelang ihm nicht durch einen klar vorkalkulierten Lösungsweg! Noch viel besser: Er hatte es gar nicht gesucht 😉 Okay, ein Schritt nach dem anderen! Das Ganze trug sich folgendermaßen zu: An besagtem Datum kehrte der schottische Bakteriologe Alexander Fleming aus seinen Ferien zurück in sein Labor. Dort stößt er auf eine Petrischale mit einer verschimmelten Bakterienkultur. Das Gefäß war von seinen Versuchen mit dem Krankheitserreger Staphylococcus aureus ungewaschen auf einem der Labortische stehen geblieben. Erstaunt stellt er fest, dass eine winzige Anzahl an grünen Schimmelpilzen die Bakterien in der Schale zerstört hat. Er extrahiert die bakterientötende Substanz aus dem Schimmel und nennt sie: Penicillin.

Tja, und wie das Leben dann immer wieder gerne spielt: Flemings Durchbruch war damit nicht getan, denn seine Veröffentlichungen zum Thema finden anfangs kaum Beachtung. Es sollte mit dem Zweiten Weltkrieg erst schlimmer kommen. Erst zu dieser Zeit entdeckt ein Forscherteam in Oxford um Howard Florey und Ernst Chain in Tierversuchen, wie kraftvoll dieses Penicillin selbst gegenüber aggressiven, normalerweise tödlichen Bakterien wirkt. Somit könnte ihm eine wichtige Rolle in der Kriegsmedizin zukommen. Nur ist es extrem mühsam, den Stoff in großer Menge zu produzieren. So beteiligt sich das US-Militär bei der Suche nach einem Pilzstamm, der größere Mengen Penicillin produziert. Weltweit werden Bodenproben gesammelt. Aber wo wurde dieser besondere Schimmel dann gefunden? Zumindest ist es folgendermaßen überliefert: in einer verschimmelten Melone vor dem Institut!?!

Wir sehen: Was beim ursprünglichen Ziel, der Bekämpfung von Staphylokokken, nicht geholfen hat, rettete im Krieg abertausende Gliedmaßen und mittlerweile sicher Millionen von Leben. Und ja, uns ist vielleicht auch deutlich geworden: Zu vielem gehört auch eine Portion Glück. An der ein oder anderen Stelle müssen oder dürfen wir loslassen, uns in Vertrauen üben in das wohin uns die Winde des Lebens hintreiben wollen.

Und noch ein Beispiel – aus meinem Leben

Dazu vielleicht eine kleine Geschichte aus meinem Leben – die es im Rückblick auf eine komplett neue Route geleitet hat. Mit 32 Jahren wurde ich von einem Headhunter auf eine Position vorgeschlagen, für die ich mich selber niemals beworben hätte. Es ging um die Marketing Direktion DACH (=Deutschland, Österreich, Schweiz) eines der fünf Major Filmstudios in Hollywood. Als ich in das erste Vorstellungsgespräch mit der Geschäftsleitung ging, wusste ich noch gar nicht, dass es um diese Position ging. Das stellte ich sich dann erst in seinem Verlauf heraus und ich kann sagen: Gut dass ich saß! Meinen Schreck schien mir niemand angemerkt zu haben, denn das Feedback lautete: Der GF ist begeistert, die Gespräche gehen weiter. Und so war es! Anfangs versuchte ich immer noch einzuwerfen, dass ich vielleicht nicht die richtige Wahl war, weil noch so jung, kein BWL oder Marketing studiert, bisher nicht auf Studioseite gearbeitet und und und. Auch mir selber gegenüber war ich nicht sicher, ob ich diese Position überhaupt wollte, sie mir kreativgenug war – denn ich weiß, wie zahlendominiert sie ist und wie eng LA die Zügel meistens hält. Ich kam in jedem Gespräch weiter. Auch der Europachef liebte mich. Nur an der letzten Station, beim weltweiten Chef in L. A., war dann Ende. Als nach dem wochenlangen Prozess die Absage kam, war ich für den Rest des Tages absolut deprimiert. Aber schon am nächsten Tag kristallisierte sich ein klareres Bauchgefühl heraus: Von der Stelle war ich bis zum Ende nicht hundertprozentig überzeugt – wenn auch vom Angebot mehr als gebauchpinselt!!

Was ich daraus gelernt und dann verändert habe

©Photo by Matt Bero on Unsplash

😉Was mich vielmehr bedrückte war nun in meiner aktuellen Anstellung weiter machen zu müssen. Dort fühlte ich mich schon so lange unglücklich, nicht wertgeschätzt – und das bei all den Budgets und neuen Etats, die ich bereits für das Unternehmen gewonnen hatte. Wie konnte es sein, dass sowohl der deutsche, als auch der europäische Studiochef mich so sehr schätzten, dass sie unbedingt wollten, dass ich für sie arbeite – ohne dass ich für sie schon etwas erreicht hatte? Und mein eigener Geschäftsführer übersah mich und all meinen Input nicht nur gerne geflissentlich, sondern machte mich auch immer wieder klein – bzw. ich ließ mich wohl auch klein machen. By the Way: Das ist sicher eine der bewährtesten Methoden, um Mitarbeiter-Hamster weiter im Rad funktionieren zu lassen. Dabei fuchteln wir wild mit den Pfötchen und rufen aus: Schau mal, was ich alles Tolles für dich mache, guck doch mal, bitte, bitte! Ein Salto und noch ein Salto, alles für dich!! Zumindest ich habe lange so funktioniert – und ab und an passiert mir das immer noch!

Und plötzlich wird klar: So geht es einfach nicht weiter!

©Photo by Benjamin Wedemeyer on Unsplash

Durch all das positive Feedback der letzten Wochen – trotz Absage also Fehler – war etwas in mir gewachsen: ein neues Selbst-Bewusstsein im wahrsten Sinne des Wortes. Mir war plötzlich tief in mir fühlend klar, dass meine jetzige Jobsituation schon lange nicht mehr tragbar war. Mit den neuen Erfahrungen im Gepäck gab es keinen Weg zurück für mich. Das nächste Kündigungsquartal stand vor der Tür und ich sprang ab! Ich würde mich allein schon für eine Zeit so durchschlagen können, wollte mich mit Muße auf eine Stelle auf Unternehmensseite bewerben. Der Rest ist Geschichte: Ich kündigte und im Folgenden waren meine bestehenden Kunden so entsetzt über meinen Abgang, dass sie mir Projekt nach Projekt persönlich anboten. Daraus entstand meine eigene Agentur – aus dem „Versagen“ bei einem Vorstellungsprozess oder besser: weil ich Augen dafür hatte zu lernen & etwas daraus zu machen! Pures Serendipity einmal wieder: Brücken sehen UND darüber gehen.

Nicht Marketing Direktorin geworden zu sein habe ich niemals als Fehler angesehen. Vielmehr brauchte ich diesen Zwischenschritt, um den Sprung hinaus aus dem Status quo zu wagen. Auf den einen Schritt folgt der nächste. Wichtig ist der Mut uns einzugestehen, dass die Richtung vielleicht korrigiert werden muss.

Was macht die Angst vor Fehlern mit uns?

©Photo by Artyom Kabajev on Unsplash

Jede/r von uns begeht im Leben einige dieser vermeintlichen Fehler. Oftmals fallen sie unserer Umwelt gar nicht auf. Für uns aber sind sie von Bedeutung, ziehen uns herunter. Woran unter anderem liegt das? Ich denke das hat viel mit dem Blick unserer Gesellschaft auf das Thema zu tun. Die meisten unter uns wurden in Kindheit und Jugend für Fehler getadelt. Wer erinnert sich nicht an die roten Kommentare in den Arbeitsheften und wie sehr sie geschmerzt haben? Ich entsinne mich nicht, dass z. B. grüne Markierungen an besonders clever gelösten Passagen auch fester Bestandteil des Feedbacks war. Der Fokus im Leben vieler liegt so von Beginn an auf Vermeidung dieser roten Brandmale, nicht darauf sich zu trauen Neues zu entdecken, gar etwas Unkonventionelles zu wagen. Werte der Gesellschaft wie Perfektionismus, nicht anecken, souverän sein oder zumindest wirken bestimmen vielerorts unser Verhalten. Aber ist Fehler machen nicht weniger unsouverän, als vielmehr mutig – und Mut nicht ein hohes Gut?

Und was macht unsere ansozialisierte Angst vor Fehlern mit uns – anbei einzelne Beispiele, die uns nachdenklich stimmen sollten:

Energy goes where attention flows

Dieses wundervolle Zitat stammt von Milton Erickson, dem Begründer der Hypnotherapie und bedeutet ganz frei übersetzt: Unser Denken steuert unser Handeln oder Energie fließt dahin, worauf wir unsere Gedanken richten.

©Photo by Stefan Cosma on Unsplash

Als einfaches Beispiel dafür nehme ich einmal das Alltagsvorhaben an den Briefkasten zu gehen. Kurz gedacht und wie viele kleine Handlungsschritte ergeben sich aus diesem einfachen Zusammenhang? Viele solcher Gedanken und Vorhaben begehen wir gar nicht bewusst – ich behaupte die meisten nicht, sonst kämen wir vor lauter darüber Nachdenken und Planen nur zur Erfüllung einzelner. Ist also auch eine praktische Sache. Aber nicht in allen Fällen – z. B. nicht in dem der selbsterfüllenden Prophezeiung. Durch unsere Sorge, Fehler zu vermeiden, kreisen unsere Gedanken oftmals so sehr um diese, dass kein Raum bleibt uns konstruktiv mit Lösungen zu beschäftigen. Unser Horizont ist der Möglichkeit gegenüber, dass es einen anderen Weg gibt, verschlossen. Es kommt zu innerer Erstarrung und einem Tunnelblick. Auch unser Stresspegel steigt durch die Fokussierung auf Probleme, so dass Handlungsoptionen noch langsamer oder gar nicht gefunden werden. Dieses eingeschränkte Denken führt zudem zu undifferenzierten Bewertungen von Menschen und Situationen. Wenn das zusammen kein Grund ist, uns bewusster darüber zu werden, wohin wir unsere Gedanken tagtäglich ziehen lassen?

Von verpassten Chancen

©Photo by Andy Beales on Unsplash

Fehler machen passt auch gut in unsere Unart, uns selber klein zu machen. Die große Gefahr, uns selber unzulänglich zu reden und ständig Angst vor Fehlern zu haben, liegt darin, infolgedessen in unseren gewohnten Bahnen zu verweilen – wie falsch sie sich auch anfühlen mögen. Wir probieren nichts Neues aus. Das setzt unsere Chance, auf ein an neue Lebensphasen und wachsendes Know-how angepasstes Leben gen Null. Ab und an kommt dann doch Mut auf, aber oftmals haben wir zu lange gewartet: Ein anderer hat die Gelegenheit beim Schopf ergriffen oder sie besteht nicht mehr.

Studien haben bewiesen: Wer seinem Kind permanent „Fall nicht hin!“ sagt, erhöht damit die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind fällt um ein Vielfaches. Dietrich Bonhoeffer, Theologe und Mitglied des Widerstands gegen den Nationalsozialismus, sagt dazu:

„Den größten Fehler, den man im Leben machen kann, ist, immer Angst zu haben, einen Fehler zu begehen.“

Der Fehler liegt also maximal darin, sich nicht zu trauen, ab und an einen zu machen – als im Fehler nie Begehen. Klingt das nachvollziehbar? Dann sag ich: Los geht’s 😉

Bestrafung

©Photo by Mick Haupt on Unsplash

Bestrafung, uh, auch kein schönes Thema!
Die Motivationspsychologie besagt, dass die Bestrafung von Fehlern die Persönlichkeit dahingehend verändern kann, dass ursprünglich motivierte Menschen zu ängstlichen „Misserfolgsvermeidern“ werden. Aus Angst vor Sanktionen wollen sie nichts mehr verkehrt machen. Wo sie sich früher gerne neuen Herausforderungen gestellt haben, starten sie nun bei Aufgaben, die mit Risiko behaftet sind, nicht einmal mehr einen Versuch, das Problem zu lösen. Sie verharren lieber in vermeintlich sicherer Passivität.  

Am Ende dieses Kapitel möchte ich nur folgende Frage in den Raum stellen: Wo wird eine solche Einstellung unser Leben hinführen? Und denken wir einmal größer: Was macht es mit einer ganzen Gesellschaft und ihren Entwicklungsmöglichkeiten?

Was macht die Angst vor Fehlern mit Unternehmen?

Diese Frage führt uns zu einem weiteren, sehr wichtigen Feld: Was macht die Angst vor Fehlern mit Unternehmen?

©Photo by Sigmund on Unsplash

Aus unserer eigenen Erfahrung und Forschung wissen wir, dass wir verkrampfen, wenn wir zu viel Angst vor Fehlern haben – was oftmals sogar zu Fehler führt, die sonst nie geschehen wären. Der Druck des Perfektionismus führt in vielen Unternehmen zur Risikovermeidung in der Gestalt, dass Führungskräfte und Mitarbeiter gegenüber neuen Wegen lieber passiv bleiben, als etwas Falsches zu tun. Das kann Firmen mittelfristig in eine große Bredouille führen, denn keine Zeit wie unsere jetzige zeichnet sich mit einer Innovationsgeschwindigkeit aus, die permanent Fortschritt fordert. Sonst wird man von der Konkurrenz abgehängt. Eine Studie der Universität Wien besagt zudem: Wer permanent negatives Feedback bekommt, bringt seltener Ideen ein.

Auch fatal: Zu große Angst vor Fehlern lenkt zusätzlich von unseren eigentlichen Aufgaben ab.

Deutschland und die Angst vor Fehlern

Und jetzt lege ich noch eins drauf: Das Thema betrifft uns Deutsche in besonderem Maß.

Aus Angst zu scheitern gibt es prozentual gesehen in Deutschland deutlich weniger Unternehmensgründungen als beispielsweise in den USA. Das hängt u. a. damit zusammen, dass Banken und Investoren hierzulande einen größeren Bogen um bereits gescheiterte Gründer machen als in Amerika, wo Trail & Error, also Versuch, Fehler und wieder versuchen viel tiefer in der Gründungskultur verankert sind. In Zahlen zieht das so aus: Das RKW Kompetenzzentrum, Ratgeber für den Mittelstand, und die Leibniz Universität Hannover haben herausgefunden, dass 42 Prozent der Deutschen aus Angst vor dem Scheitern nicht gründen würden. Eine erschreckende Zahl oder?

Wie sehr sich zweite oder dritte Anläufe lohnen zeigen viele Gründer- und Unternehmensgeschichten. Beispielsweise sind sowohl Lars Hinrichs, der Gründer von Xing, als auch Max Levchin, der von Paypal, vorher mit anderen Geschäftsideen gescheitert.

Es bleibt eine wichtige Aufgabenstellung, dass Fehler machen und Scheitern dürfen zum Teil der DNA von Unternehmenskulturen wird. Das fügt sich nahtlos in moderne Entwicklungsmethoden wie Design Thinking oder Lean Start-up ein. Hier wird in iterativen Prozessen entwickelt. Vom Start neuer Projekte oder Produkte an wird in kürzeren Phasen oder Sprints gearbeitet, getestet, verbessert, weiterentwickelt, getestet bis man mit dem Ergebnis zufrieden ist. 

Dazu passt ein Zitat von Sir Winston Churchill:
„Es ist ein großer Vorteil im Leben, die Fehler, aus denen man lernen kann, möglichst frühzeitig zu machen.“

Das Outro: Kintsugi oder von der Wertschätzung unserer Brüche

©Photo by Riho Kitagawa on Unsplash

Meine Lieben, für das Ende dieses Podcasts habe ich mir noch etwas ganz besonderes aufbewahrt und zwar das japanische Handwerk des Kintsugi – was so viel heißt wie Goldverbindung oder Gold flicken. Für mich eine der zauberhaftesten Wege mit Brüchen und somit auch sogenannten Fehlern umzugehen. Beim Kintsugi handelt es sich um eine traditionelle Reparaturmethode von Keramik. Das besondere daran ist, dass nicht versucht wird, die Brüche und Sprünge im Material zu verbergen. Sie werden durch die Beigabe von Gold und Silber in die Urushi-Kittmasse in den Vordergrund gestellt. Das Ergebnis ist ein ganz neues Objekt, dass der Wertigkeit des Originals in nichts nachsteht. Der ästhetische Blick, der hinter Kintsugi steht, heißt Wabi-Sabi und bedeutet so viel wie die Schönheit im Vergänglichen oder Fehlerhaften zu erkennen. Die so wieder hergestellte beispielsweise Schale ist in ihrer Wertigkeit nicht geringer als das komplett unversehrte Ausgangsstück. Vielmehr erhebt sie die aufwendige Restauration mit den edlen Materialien in einen ganz neuen Status.

Ich finde das ist ein wundervolles Bild für unserer aller Lebensweg mit unseren Brüchen, Stolperern, vermeintlichen Fehlern, aufstehen, zusammenflicken und weiter schreiten. Diese für mich ganz besondere Kunstform erzählt von Kraft, Heilung, Individualität, denn keins der so entstandenen Stücke gleicht einem anderen. Narben werden nicht verborgen. Die Schönheit liegt darin, dass wir nach Verlust, Fehlern und Niederlagen weiter schreiten – und unseren bisherigen Weg darf man uns ruhig ansehen. Er macht unsere ganz eigene Schönheit aus.

Meine Lieben, damit diese Worte noch etwas in euch nachhallen können, schleiche ich mich nun leise aus dieser Podcast Episode. In der nächsten schauen wir uns gemeinsam an, wie wir einen besseren Umgang finden können mit diesen Fehlern – denn angenehm sind sie natürlich weiterhin nicht.

Noch einmal: Die Schönheit liegt darin, dass wir nach Verlust, Fehlern und Niederlagen weiter schreiten – und unseren bisherigen Weg darf man uns ruhig ansehen. Er macht unsere ganz eigene Schönheit aus.

Kintsugi, so ist es! 🙏🏻❤️

Ciao & tschüss sagt Elke von EXit!, dem Podcast, der Mut und Lust macht auf Veränderung

Der EXit! Podcast #31: „Unsere FehlerUNkultur oder warum der Mut Fehler zu machen so wichtig ist!

©Photo by Brett Jordan on Unsplash

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Links & Empfehlungen

  • Prof. Dr. Gerd Gigerenzer – beispielhaft eins seiner Bücher: „Bauchentscheidungen: Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition“, https://amzn.to/3C5wzWL
  • Christian Busch: „Connect the Dots: The Art and Science of Creating Good Luck“, https://amzn.to/3RD2d24

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