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Einführung

Von Glaubenssätzen oder: Tyrannen in unserem Kopf

Wie du die Zügel des Gedankenkarussells in deinem Kopf in die Hand nimmst

Heute früh, Montag Morgen, bin ich voller Elan und Begeisterung vom Bett auf die Yogamatte und dann an den Schreibtisch gesprungen. Am Vortag war mir ein Buch in die Hand gefallen und einzelne Stichworte des Klappentextes hatten sich auf wundersame Weise zur Weiterentwicklung meiner EXit! Vision geformt. Ich war voller Begeisterung und Kraft – mehr braucht man eigentlich nicht um genial in die Woche zu starten oder?

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Cut, circa 8 Stunden später: Ich finde mich komplett ausgesaugt, schlecht gelaunt und zutiefst „im Kampf mit mir selbst“ verstrickt an meinem Schreibtisch wieder. Was ist passiert? Eigentlich war ich den ganzen Tag beschäftigt, habe notwendige Dinge abgearbeitet, ABER mich eben nicht um die EXit! Aufgaben gekümmert, die ich mir fest vorgenommen hatte. Natürlich ist es immer frustrierend, wenn man nicht hinter seinen Aufgaben herkommt und sich mit anderem verzettelt. Was nun aber meine inneren Widersacher in Form von vernichtenden Kommentaren auf mich niederprasseln lassen, ist einfach zu viel! Von „Du kümmerst dich nie um das Wesentliche“, über „Du kannst eh nicht texten“ (das war die Aufgabe) bis hin zur totalen Vernichtung „Du siehst: EXit! wirst du niemals auf die Reihe kriegen!“ ist alles dabei. Und ich komme für den Rest des Tages einfach nicht mehr auf die Beine, stehe sogar am nächsten Tag erschlagen und schlecht gelaunt auf. Kennst du das? Du brauchst eigentlich gar keine Feinde, du hast ja dich?! Aber Spaß beiseite, denn lustig ist das wirklich nicht. In diesem Fall, habe ich mich am nächsten Morgen durch Übungen wieder auf- und ausgerichtet (konkrete Übungen weiter unten), aber nicht immer klappt das so schnell. Oftmals bekommen oder haben diese Stimmen langfristig die Überhand. So halten sie uns davon ab, das zu tun, wonach wir uns wirklich sehnen: Uns Größeres zuzutrauen, unseren eigenen Weg zu finden und zu gehen.

Was sind das eigentlich für Stimmen?

Woher kommen nun diese Stimmen – auch Glaubenssätze oder Identitäten genannt? Wofür sind oder waren sie vielleicht auch gut? Vereinfacht dargestellt: Es handelt sich um alte Überzeugungen, die du im Laufe deines Lebens über dich  und die Welt „gesammelt“ hast. Sie entstehen durch bewusste und unbewusste Erfahrungen, die du gemacht und für dich „interpretiert“ hast, über Werte deiner Familie, deines Umfelds, der Gesellschaft etc. Ein Großteil davon stammt aus deiner Kindheit und Jugend, einige sogar aus der Baby- und somit vorsprachlichen Phase – was sie noch schwieriger erinnerbar macht. Sogar transgenerationale Prägungen sind möglich. Dem entspringen Glaubenssätze darüber, was du nicht darfst, nicht kannst, woran du Schuld hast, wie wertlos oder -voll du bist, was du zu tun, zu leisten, zu erfüllen hast, wer du „bist“.

Es entsteht ein komplexes Gebilde aus Verhaltensregeln und emotionaler Kodierung, an das wir uns von Kindesbeinen an gewöhnt haben. Im Erwachsenenalter fühlt es sich oftmals weiter wie „die Wahrheit“ an. Sehr tief sitzen diese alten Überzeugungen zudem dadurch, da sie uns in jungen Jahren vor negativen Sanktionen durch unsere Umwelt bewahrt haben. Ihre Befolgung ermöglichte die Integration in unser soziales Umfeld, in extremen Fällen sicherte sie sogar das Überleben. Als kleine Wesen sind wir auf Gedeih und Verderb auf die Zugehörigkeit und Versorgung zum/durch das Außen angewiesen und passen uns an.

Als Erwachsene sind wir in einer anderen Situation

Seit unserer Kindheit sind nun viele Jahre vergangen. Meistens leben wir nicht mehr im Elternhaus, verdienen unser eigenes Geld, können uns die Menschen, mit denen wir uns umgeben, aussuchen und auch, wie wir uns behandeln/lassen. Zumindest in der Theorie ist das so, denn die alten Lenkmechanismen lösen sich nicht einfach auf. Zum einen sind wir uns ihrer oftmals gar nicht bewusst, sie sind die „Wahrheiten“ mit denen wir aufgewachsen sind. Zum anderen unterwandern sie uns mit einer ganzen Klaviatur an „Stimmlagen“ und Ansatzpunkten, die nicht selten sehr plausibel erscheinen – wie von uns selbst erdacht.

 
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Und doch sind wir als Erwachsene in der Lage, die Weichen neu zu stellen. Mich rüttelte der Besuch bei einer Coachin final auf. Als Feedback auf unser erstes Gespräch teilte sie mir erstaunt mit: „Wir alle haben unterschiedliche Stimmen im Kopf, aber bei Ihnen ist es ja ein ganzer Chor!“. Hoch frustriert und mit einem Gefühl der Ohnmacht zog ich von dannen. Zugleich wusste ich: Ich muss den Lärm und das Wirrwarr in meinem Kopf in den Griff bekommen, um mich endlich selber zu „hören“.

Nimm die Zügel deiner Gedanken in die Hand!

Der Prozess, mehr Ordnung in meinem Kopf zu schaffen, vollzog und vollzieht sich auch heute noch über mehrere Ebenen:

  • Zuerst muss das Bewusstsein für diese ständige Infiltration geschärft werden.
  • Hast du eine alte Beeinflussung oder „Wahrheit“ enttarnt, gilt es Step by Step in deinem Gefühl zu verankern: Es sind nur Gedanken. Du musst sie nicht als deine Wahrheit annehmen – auch nicht, wenn dein Umfeld dich weiter in dieser Rolle halten möchte. Ein kleiner Hinweis: Interessanterweise erscheinen diese Gedanken oft wie von außen kommend in der Du-Form: „Du musst, du darfst nicht, du bist dies und das, …!“
  • Jetzt heißt es Zügel in die Hand nehmen: Übernimm die Verantwortung dafür, dass du die Wahl hast. Du kannst Aussagen annehmen, kannst ihnen Beachtung schenken oder eben nicht. So lernst du dich Stück für Stück zu distanzieren, die Stimmen somit selber zu „steuern“.
  • Das „Tückische“ an diesen alten Glaubenssätzen ist auch, dass sie dich schnell und strudelhaft in ein Gefühlsdrama ziehen können. Drama hat etwas Verführerisches, manchmal kann man sich im Leid und/oder dem Chaos geradezu suhlen (entschuldigt die Formulierung) – oder wie sagt meine Therapeutin gerne: Da ist richtig was los, das zieht Aufmerksamkeit auf sich.
    Eine Hilfestellung hierzu: Wo richtig Druck, ein Gefühl von Muss & Drama aufkommt, werde hellhörig. Hier mischt meistens „jemand“ anderes mit! Sag: STOP!
  • Eine große „Fähigkeit“ dieser alten Überzeugungen ist es, sich fest zu beißen und dich mit „Argumenten“ zu überhäufen. Je mehr sie sich bedrängt fühlen, desto intensiver nehmen sie Fahrt auf – letztendlich gehen sie einem alten, sehr wichtigen Job nach: Dich zu beschützen. Dass du dazu heutzutage selber in der Lage bist, kannst nur du dir bewusst machen UND es dir durch praktizieren beweisen.
  • Praktizieren ist das richtige Stichwort: Finde die für dich beste Technik, um langsam deine Gedanken besser lenken und somit Attacken abwehren zu können.
  • Für mich war das Meditieren in dem Zusammenhang eine große Hilfe. Durch die Praxis habe ich zum ersten Mal erfahren, dass und wie ich Gedanken einfach weiterziehen lassen kann. Wahrnehmen, loslassen: eine gute Basis um auch Glaubenssätzen leichter die Aufmerksamkeit zu entziehen. Hier findest du Artikel zur Einführung in das Thema Meditation, zu Meditationsformen und dem Bodyscan (eine gute Einstiegsübung)
  • Und noch einmal praktizieren, praktizieren, praktizieren: Bleib am Ball, sei dir der Existenz und Wirkung der alten Mechanismen auf dich mehr und mehr gewahr. Fühlst du, dass dich wieder etwas antriggert und vor sich her treibt? Setze einen Cut, mach dir bewusst, dass DU die Zügel in der Hand hast UND übernimm sie!

Ja, es klappt nicht immer, nicht sofort, es gibt Rückschläge, aber es wird immer leichter. Nicht aufgeben, denn: Dass ich jetzt mehr und mehr die Dirigentin des Chors in meinem Kopf bin hat mein Leben grundsätzlich verändert!

Eine Übung zur Arbeit an deinen Glaubenssätzen findest du hier.

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